Jana Friedrich arbeitet seit 16 Jahren als Hebamme und ist zweifache Mutter. Auf ihrem Hebammenblog und als Gastautorin auf anderen Portalen teilt sie mit Euch ihr Wissen und ihre Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Bei ihr bekommt Ihr Informationen und Beratung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.
BLW (Baby led weaning) kommt aus dem Englischen und bedeutet nichts weiter, als dass das Baby selbst bestimmt, was es essen möchte. Dieses Konzept scheint noch relativ neu, ist in Wirklichkeit aber schon uralt. Denn Kinder lernen am Besten durch Nachahmung. Sie bekunden natürlicherweise irgendwann Interesse am Essen der Eltern und möchten dieses haben. Wenn man das zulässt, betreibt man schon BLW.
Das Konzept
Mit ungefähr sechs Monaten beginnen die meisten Babys den Eltern buchstäblich, die „Bissen in den Mund zu schauen“. Dieser Zeitpunkt, der von Kind zu Kind variiert, ist der perfekte Moment, um mit der Beikost-Einführung zu beginnen.
Das Baby kann dann einfach bestimmen, welche und wie viel feste Nahrung es zu sich nehmen möchte. Um das Tempo muss man sich keine Sorgen machen, denn zum Konzept gehört, dass es weiterhin nach Bedarf gestillt wird oder das Fläschchen bekommt. Es kann also sein, dass ein Baby sehr schnell Lust auf mehr feste Nahrung bekommt oder aber zum Großteil ein Säugling bleibt, der eben ab und zu mal an einem Brötchen knabbert. Durch die Milch ist das Baby ja weiterhin gut ernährt. Es tastet sich aber langsam an einen erweiterten Speiseplan heran.
So geht’s:
Die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) empfiehlt, ein Baby mindestens sechs Monate voll zu stillen (oder das Fläschchen zu geben). Daher sollte man nicht vor Ablauf dieser Zeit mit der Beikost beginnen.
Der „Zungenstreckreflex“ muss überwunden sein. Die Kinder haben einen angeborenen Schutz vorm Verschlucken: Die Zunge befördert feste Nahrung sofort wieder aus dem Mund. Mit circa sechs Monaten lässt er langsam nach. Das Baby sollte dennoch niemals beim Essen alleine gelassen werden. Es könnte sich verschlucken und Hilfe benötigen.
- Eigentlich sollte ein Kind natürlich sitzen können, wenn es mit dem Essen beginnt. Da aber Babys mit sechs Monaten in der Regel noch nicht selbstständig sitzen können, könnt Ihr es ja einfach bei Euch auf den Schoß nehmen.
- Um den Nachahmungseffekt effektiv zu nutzen, empfehle ich Euch, mit dem Kind gemeinsam zu essen. Am besten klappt es, wenn das Baby auch weitestgehend Lebensmittel angeboten bekommt, die Ihr selbst auch esst
- Die Lebensmittel sollten in handliche Stücke geschnitten werden. Zu klein darf es natürlich auch nicht sein, denn solange das Baby den Pinzettengriff (mit Daumen und Zeigefinger) noch nicht beherrscht, verschwindet das Essen einfach nur in der Babyfaust und es bleibt nichts zum Abbeißen übrig.
- Zum Konzept gehört, dass das Baby eben nicht gefüttert wird, sondern sich wirklich selbst am Essen bedient.
- Je nach Alter und Entwicklungsstadium des Babys können bestimmte Lebensmittel roh bzw. nur geschält gegeben werden. Bei anderen Lebensmitteln ist es nötig, sie zu kochen oder zu dünsten.
- Es sollte eine gewisse Auswahl an Nahrungsmitteln angeboten werden, damit das Baby wirklich entscheiden kann, was es essen möchte und damit es verschiedene Geschmäcker kennen und erkennen lernt.
- Spielen ist erlaubt, deshalb mein Tipp an Euch: genügend Zeit einplanen. Außerdem ist es günstig, die Umgebung so zu gestalten, dass das Baby auch wirklich manschen kann und es auch kein Drama ist, wenn mal etwas herunterfällt. Das Baby lernt ja jedes Nahrungsmittel neu kennen und wird die Farbe, den Geschmack und die Konsistenz prüfen. Es ist sehr unterschiedlich, wie viel am Ende wirklich in den Mund gelangt. Dem Baby ist natürlich auch nicht von Anfang an klar, dass das schöne bunte Spielzeug, das da vor ihm liegt, es auch satt machen soll. Es kann also durchaus sein, dass das Baby nach einer ausführlichen Mahlzeit noch Hunger hat und gestillt werden, bzw. die Flasche kriegen möchte.
Diese Lebensmittel sind im ersten Jahr tabu
Auf einige Nahrungsmittel sollte man im ersten Lebensjahr aus verschiedenen Gründen verzichten.
- Honig (Botulismus)
- Nüsse und andere rundliche, kleine Lebensmittel (wegen der Verschluckungsgefahr)
- Fisch (Gräten)
- nicht pasteurisierte Milchprodukte (können Bakterien enthalten)
- rohes Ei, roher Fisch und rohes Fleisch (Salmonellengefahr)
- Zucker (auch versteckte Zucker wie Saccharose, Dextrose und Maltose) und Salz gehören ebenfalls nicht ins Kinderessen. Da Zucker und/oder Salz in den meisten Fertigprodukten anzutreffen sind, sollte man auch sie vermeiden. Das gilt leider auch für Produkte, die speziell für Kinder hergestellt werden.
- Dass Koffein, Teein und alles was Alkohol enthalten könnte, nichts für’s Kind ist, ist ja klar.
Die BLW-Ausrüstung
Sobald das Kind selber sitzen kann, ist ein gut abwischbarer Hochstuhl sinnvoll. Er kann entweder mit einem umrandeten Tablett ausgestattet sein oder nah an den Esstisch geschoben werden. Praktisch sind immer Teller und Becher, die aus unzerbrechlichen Materialien bestehen. Beim Trinkbecher sind Modelle mit zwei Henkeln günstig.
Das erste Ess-Werkzeug des Babys sind seine Hände. Man kann aber auch von Anfang an ein Kinderbesteck anbieten. Kinder lernen ja am besten durch Imitation und sie sehen, dass ihre Eltern mit Besteck essen. Also möchten Sie das auch probieren. Ein großes Lätzchen verhindert ein Umziehen nach jedem Essen. Besonders praktisch, sind Lätzchen mit Ärmeln.
Sollte der Tisch in einem Zimmer mit Teppichboden stehen, empfehle ich Euch, ein großes Wachstuch oder eine Plastikfolie unter den Hochstuhl zu legen. Nach der Mahlzeit benötigt Ihr einen feuchten Waschlappen für das Gesicht und die Hände des Kindes.
BLW = Breifrei?
Wenn Ihr euch für BLW entscheidet, heißt das natürlich nicht, dass man dem Baby nicht auch mal einen Brei anbieten kann. Essen ist ja etwas, das Spaß machen soll. Daher ist es schön, dem Kind viele unterschiedliche Möglichkeiten zu zeigen. Manche Babys finden Fingerfood von Anfang an ganz großartig. Andere mögen die Stücke nicht, finden aber pürierte Nahrung toll. Dann kann man auch mit sehr dünnem Brei anfangen, dann die Lebensmittel nur noch zerstampfen und irgendwann bei gekochtem, aber nicht arg zerkleinertem Essen angelangen. Das Wichtigste ist, das Baby nicht zu drängen und sich seinem Tempo anzupassen.
Wer isst, muss auch trinken!
Wenn Kinder anfangen feste Nahrung zu essen, ist es wichtig, dass sie dazu auch genug trinken. Am allerbesten eignet sich Wasser. Babys trinken Wasser normalerweise gerne. Alternativ kann man auch ungesüßte Tees anbieten. Auf Säfte und Tees aus Granulaten sollte man grundsätzlich verzichten, da diese sehr viel versteckten Zucker enthalten. Selbst dann, wenn es sogenannte „Babyprodukte“ sind. Ob Euer Kind genug trinkt, könnt Ihr am Inhalt der Windel sehen. Wird der Stuhlgang sehr fest, ist es zu wenig.
Beikost nach Bedarf hat Vorteile
- Das Kind lernt früh verschiedene Lebensmittel und deren Geschmäcker kennen und diese zu unterscheiden.
- Es kann selbst entscheiden, was und wie viel es isst.
- Es kann die Mahlzeiten gemeinsam mit der Familie am Familientisch einnehmen.
- Es trainiert seine Motorik und lernt Selbstbestimmung.
Probleme beim Beikoststart
Natürlich kann es auch bei der BLW Methode zu Problemen kommen. Manche Kinder sind sehr wählerische Esser. Sie picken sich aus der angebotenen Auswahl immer nur dieselben drei Lebensmittel heraus und lehnen alles Andere ab. Hier sollte man nicht zu schnell aufgeben. Manche Kinder müssen bestimmte Nahrungsmittel immer wieder probieren, um sich an den Geschmack zu gewöhnen. Auch bevorzugen fast alle Kinder zunächst den süßen Geschmack. Nahrungsmittel, die eine bittere Note haben, werden zunächst abgelehnt. Das ist ein Schutzmechanismus, denn in der Natur sind viele giftige Pflanzen bitter. Trotzdem sollten keine Tricks angewendet werden, wie beispielsweise, dass künstliche Süßen von Nahrungsmitteln. Besser ist es, selbst als gutes Vorbild voranzugehen. Auch sollte man auf Ablenkungsmanöver und Zwang verzichten. Ein gesundes Essverhalten ergibt sich mit der Zeit automatisch, wenn es entsprechend vorgelebt wird.
Ein weiteres Problem der Beikost, das von Eltern manchmal genannt wird, ist die etwas längere Zubereitungsdauer. Natürlich geht es schneller, ein Gläschen zu öffnen oder einen Fertigbrei nur noch mit heißem Wasser anzurühren. Doch auch das eigene Essen muss ja gekocht werden. Man kann also einfach – vor dem Würzen – vom eigenen Essen etwas für das Baby abnehmen. Die Kinder finden es sowieso am Tollsten, wenn sie weitestgehend dasselbe Essen bekommen wie die Eltern.
Mama-Spezialtipp
Wir hatten in unserer Küche lange Zeit eine kleine Kinderküche stehen, in der unsere Kinder auch „kochen“ konnten, während wir das Essen zubereiteten. Diese wurde viel und ausführlich bespielt. So waren die Kinder beim Kochen dabei, aber störten nicht und waren gut beschäftigt. Nach und nach bekamen sie echte Küchenwerkzeuge und Lebensmittel zum Spielen, Helfen und Ausprobieren. Bis heute helfen meine Kinder sehr gerne beim Kochen und Backen und beherrschen viele Gerichte schon seit langem selbst.
Ich wünsche Euch viel Spaß bei der Beikost-Einführung! Wenn Ihr Fragen dazu habt, stellt sie gerne als Kommentar hier im myToys-Blog, oder am 16.7. in meiner nächsten Facebook-Hebammensprechstunde.
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