Viele nichtdeutschsprachige Paare stehen irgendwann vor der Aufgabe: In welcher Sprache erziehen wir unser Kind? Oder erziehen wir es lieber zweisprachig? Wofür soll man sich entscheiden? Ist Zweisprachigkeit nicht ein Garant für ein erfolgreiches Berufsleben? Andererseits: Lernen die Kinder denn dann überhaupt eine Sprache richtig? Manche munkeln gar, mehrsprachige Erziehung löse Autismus aus.
Das ist natürlich Unfug. Weltweit ist Mehrsprachigkeit nicht die Ausnahme, sondern die Regel: In vielen Ländern existieren mehrere gleichwertige Landessprachen, dennoch gibt es dort prozentual nicht mehr Autisten als in einsprachigen Ländern. Allerdings fangen manche Kinder in mehrsprachigen Familien später an zu sprechen. Das liegt aber daran, dass sie sich vorher „im Stillen“ die jeweiligen Grammatikstrukturen einprägen. In einem gewissen Alter haben sie ihre einsprachigen Kollegen dann wieder eingeholt.
Aber wer spricht welche Sprache mit dem Kind? Alle durcheinander? Und bei wie vielen Sprachen ist Schluss?
Dazu muss man sich erst einmal klarmachen, in welchem Umfeld das Kind lebt. Sind beide Eltern z.B. türkisch, leben aber mit dem Kind in Deutschland, macht es Sinn, zuhause Türkisch und in der Öffentlichkeit Deutsch zu sprechen. So merkt das Kind: In der einen Sprache kann ich mit Mama lachen, Geschichten erzählen oder spielen, in der anderen kann ich mir ein Eis kaufen und mit meinen Freunden Quatsch machen – beide Sprachen haben also ihren Sinn.
Deutsch ist nicht das Maß aller Dinge
Nichtdeutschsprachigen Eltern wird oft geraten, zuhause nach Möglichkeit auch nur Deutsch zu sprechen. Das ist aber nicht sinnvoll, denn oft verkümmert so die Herkunftssprache komplett. Das führt irgendwann dazu, dass sich das in Deutschland aufgewachsene Kind nicht mehr mit der bulgarischen Oma unterhalten kann. Außerdem bekommt das Kind auf diese Weise das Gefühl vermittelt, dass die Familiensprache wertlos ist. Das kratzt natürlich am Selbstbild. Besser ist es, die verschiedenen Sprachen wertzuschätzen.
Now become I but angry!
Eine weitere mögliche Variante ist, dass ein Elternteil konsequent nur bspw. Italienisch und der andere konsequent nur Französisch spricht, im öffentlichen Umfeld dann wieder Deutsch. Nach oben gibt es nämlich nämlich keine Grenze. Dabei ist aber wichtig, dass die jeweilige Sprache perfekt beherrscht wird. Das Kind englischsprachig erziehen zu wollen, selbst aber nur auf Songtextniveau unterwegs zu sein, bringt überhaupt nichts. Man sollte bedenken: Man muss in der Sprache loben, schimpfen und Witze machen können – und zwar ohne lange nachzudenken.
Ni hao! – Hä, ich hau doch gar nicht!
Weiterhin sollte das Kind auch merken, dass die Sprache, die es lernt, in seinem Alltag wichtig ist. Wer einmal in der Woche im Baby-Mandarin-Kurs sitzt, wird zwar Spaß daran haben, es wird aber nichts hängenbleiben, da das Kind erkennt, dass es im normalen Leben mit der Sprache nichts anfangen kann – es sei denn, im Kindergarten wird nur Mandarin gesprochen. Wenn Eine von Euch so einen Kindergarten kennt, schreibt mir bitte eine Nachricht!
Mama, my doll ist sous the Bett, can you me it outholen, por favor?
Fest steht: Eine mehrsprachige Erziehung hat sehr viele Vorteile. Wichtig ist eben nur, dass jede Bezugsperson möglichst in „ihrer“ Sprache bleibt und die Sprachen nicht im Satz vermischt. Das Gehirn eines Kindes ist unheimlich flexibel und aufnahmefähig. In jungen Jahren wird eine Sprache am leichtesten erlernt. Durch das Hin- und Herspringen zwischen den Sprachen wird außerdem das Arbeitsgedächtnis trainiert, was auch Vorteile beim Rechnen und Planen mit sich bringt. Und nicht zuletzt: Sprachen sind eben einfach das Tor zur Welt.
Welche Sprachen werden bei Euch zuhause gesprochen? Uns interessiert, wie Ihr das mit der Mehrsprachigkeit handhabt. Wir freuen uns auf Eure Erfahrungen in den Kommentaren!
Iris
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