Beim Stillen scheiden sich die Geister. Die einen sagen, es gäbe für ein Kind nichts Besseres, die anderen schwören auf Milchnahrung. Ich will Euch heute mal von meiner Stillerfahrung berichten.
No Milk today
Als meine Tochter mit einem ungeplanten Kaiserschnitt geboren wurde, hatten meine Brüste das in der Narkose offenbar verschlafen, denn es herrschte Ebbe. Kein Tröpfchen ließ sich blicken. Da wir noch eine Woche nach der Geburt im Krankenhaus bleiben mussten, verdonnerten mich die Schwestern zu regelmäßigen Sitzungen an der Krankenhaus-Milchpumpe. Alle drei Stunden, auch nachts, musste ich ins Stillzimmer wackeln und an das an eine Melkmaschine erinnernde Gerät andocken, um die Fluten anzukurbeln. Mit Erfolg, wie sich zeigte. Schon wenige Tage später floss das weiße Gold in Strömen. Und wenn ich Ströme sage, dann meine ich das auch. Mit der Milch, die ich produzierte, hätte ich drei Kinder versorgen können. Meine BHs mussten alle aussortiert und um neue in 2 Körbchengrößen mehr ersetzt werden.
Schon allein der Gedanke an mein Kind öffnete die Schleusen. Es war beinahe lästig. Dennoch gab es für mich nichts Schöneres, als mein Kind zu stillen.
Dieses Gefühl des Einsseins, die entspannte Stille, ihr zufriedenes Nuckeln und die Innigkeit zwischen uns machten es für uns beide zu einem wundervollen Erlebnis. Praktisch war es natürlich auch, ihre Wachphasen in der Nacht dauerten selten länger als 5 Minuten, nächtliches Geschreie kannte ich also nicht und auch unterwegs hatten wir immer was Feines zum Naschen dabei.
Aufhören, wenn’s am schönsten ist? Nö!
Und weil es so toll war, fiel es mir auch nicht im Traum ein, nach einem Jahr damit aufzuhören, wie es die meisten Freundinnen taten. Wir machten hübsch fleißig weiter. Zunächst noch regelmäßig, dann nur zum Einschlafen, am Ende nur noch nachts.
Als meine Tochter dann vier Jahre alt wurde, fand ich es an der Zeit, uns beide davon zu entwöhnen.
Auch wenn es für mich total interessant war, mich mit ihr über den Geschmack der Milch zu unterhalten und es uns beiden noch immer gut gefiel, fühlte ich mich nach vier Jahren ohne Durchschlafen verausgabt. Meine Tochter war zwar nicht begeistert, reagierte aber sehr verständnisvoll, als ich ihr sagte, dass ich es besser fände, wenn wir jetzt ohne „Nucki“, wie sie es nannte, auskämen, weil sie ja jetzt schon groß sei und ich auch mal eine ganze Nacht lang nicht aufwachen wollte. Wir einigten uns darauf, nur noch alle drei Tage Nucki zu machen, was natürlich auch die Milchproduktion reduzierte. Nach zwei Wochen etwa hatte sie das Nuckeln offenbar vergessen, und wir hörten ganz auf. Auch die Nächte schliefen wir beide nun durch. Ich glaube, dass sie beim Abstillen mitreden konnte, war ein Vorteil. Babys, denen man die geliebte Brust entzieht, wissen ja gar nicht, was los ist und warum sie sie nicht mehr bekommen.
Je länger, je lieber – oder?
Während dieser 4 Jahre recherchierte ich auch oft in Netzforen, wie andere zum Thema Langzeitstillen stehen. Da war alles dabei: Lob, aber auch Kritik bis hin zu Beschimpfungen und Beleidigungen. Mütter, die ihre Kinder länger stillen, wurden oft als Gestörte oder Perverse bezeichnet. Dabei liegt das natürliche Abstillalter meist höher als 12 Monate.
Bei vielen Naturvölkern, die nicht von Großeltern, Medien und Freundinnen unter Druck gesetzt werden, stillen sich die Kinder im Alter zwischen 2 und 7 selbst ab.
Und auch die Nationale Stillkommission empfindet das Stillen als ideal, solange Mutter und Kind dies wünschen: „Der endgültige Zeitpunkt zum Abstillen sollte nach Auffassung der Kommission eine individuelle Entscheidung sein, die gemeinsam von Mutter und Kind getroffen wird.“ Ab dem 7. Monat sollte jedoch spätestens die Beikost eingeführt werden. Möchtet Ihr noch weitere Informationen zu diesem Thema? Dann empfiehlt Euch unsere Hebamme die Website Stillkinder.de.
Richtig abstillen. Aber wie?
Wie man am besten abstillt, darüber herrscht jedenfalls Einigkeit: Langsam sollte es gehen. Abruptes Abstillen führt zu großem Unverständnis und möglicherweise auch Trauer auf Seiten des Babys, außerdem kann das körperlich für die Mutter sehr unangenehm sein und schmerzhaft werden. Ein gutes Zeichen für den richtigen Zeitpunkt ist, wenn das Kind offenbar nur noch wenig Interesse an der Brust hat und nur noch kurz trinkt, sich dann aber wieder anderen Dingen zuwenden möchte. Dann könnte man versuchen, eine Mahlzeit durch etwas anders, z.B. Brei oder Kuhmilch, zu ersetzen.
Abhilfe schafft eine Milchpumpe, wenn die Brust noch zu voll wird, aber keiner mehr so richtig daraus trinkt. Dabei sollte man auch berücksichtigen, dass auch hier die Nachfrage das Angebot regelt, wobei das Abpumpen die Nachfrage darstellt.
Also: Lieber nicht gleich ganz leerpumpen, sondern Stück für Stück reduzieren. Wenn Mütter nicht stillen wollen, ist das eine andere Sache, die man respektieren muss, und eine schlecht gelaunte Mutter, die gegen ihren Willen stillt, ist auch nicht gut fürs Kind. Ich habe es jedenfalls noch nicht eine Sekunde bereut, so lange gestillt zu haben, und kann es wärmstens empfehlen!
Das sagt unsere Hebamme Kareen
Die „Dunkelziffer“ an länger stillenden Frauen ist tatsächlich viel höher, als man denkt. Ich als Hebamme weiß ja, was hinter den verschlossenen Schlafzimmertüren geschieht und worüber die Frauen nicht mit jedem sprechen. Gar nicht so wenige Frauen stillen ihre Kinder über den zweiten Geburtstag hinaus. Oft sind sie aber verunsichert, weil sie das Gefühl haben, sie täten etwas total Abseitiges. Das Stillen findet meistens gar nicht mehr in der Öffentlichkeit statt, sondern als „Kuschelstillen“ zuhause, oft im Bett in der schlafnahen Zeit. Es ist nicht jederfraus Sache, aber letztlich artgerecht. UND: Kaum eine Frau kann sich das VOR der Geburt vorstellen. Bei Frauen, die länger stillen als gedacht, hat sich „das mit dem Abstillen einfach nicht so ergeben.“ Mein Rat: Trau Deinem Muttergefühl, das ist bei solchen Dingen immer richtig!
Iris
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