Der Kösel Verlag führte eine Webinar-Reihe zum Thema Babywissen durch, die verschiedene Themen wie Stillen, Geburt, Schlafen und Impfen behandelt. Die Lektorin Sonia Gembus moderiert die Webinare und befragt, je nach Thema, verschiedene Experten. Darunter sind zum Beispiel Nora Imlau oder Nicola Schmidt.
Webinar zum Thema Hypnobirthing
Früher oder später beschäftigt sich jede Schwangere mit dem Thema Geburt. Einige lassen es auf sich zukommen, andere fühlen gewisse Ängste. Wie man einer Geburt entspannt entgegensieht und wie sich Ängste abbauen lassen, besprechen Bianca M. Heinkel und Jhari Gerlind Kornetzky, die Autorinnen des Buches „Mama werden mit Hypnobirthing„, mit der Lektorin Sonia Gembus und beantworten die Fragen der Zuschauer.
Nach der Live-Übertragung wurde das Video zum Abruf zur Verfügung gestellt:
- Bianca Maria Heinkel ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Hypnobirthing-Kursleiterin sowie erfahrene Geburtsbegleiterin. Darüber hinaus hat sie zahlreiche Aus- und Weiterbildungen, u.a. in Körperpsychotherapie, Familienaufstellung und Hypnose, absolviert und ein eigenes Therapiekonzept entwickelt – das ReBonding. 2013 gründete sie mit ihrem Mann das Hypnobirthing Institut in Gaggenau.
- Jhari Gerlind Kornetzky war 13 Jahre lang Verlagsleiterin beim Auditorium Netzwerk. Seit 2013 ist sie als Hypnobirthing-Kursleiterin in Freiburg tätig.
- Sonia Gembus ist Lektorin beim Kösel Verlag und moderiert das Webinar.
Buchtipp: Mama werden mit Hypnobirthing
Lesen Sie das Buch der beiden Referenten des Webinars: Bianca M. Heinkel, Jhari Gerlind Kornetzky
Frauen sind dafür geschaffen, Babys auf die Welt zu bringen. Mit HypnoBirthing erfährt die Schwangere, wie sie den natürlichen Geburtsablauf mit Hilfe von Tiefenentspannung, Visualisierung, Atmung und Selbsthypnose unterstützen kann. Das neue HypnoBirthing bietet praktische, alltagstaugliche Übungen, mit denen Schwangere sich alleine und gemeinsam mit ihrem Geburtsbegleiter auf eine selbstbestimmte, natürliche Geburt aus eigener Kraft vorbereiten kann.
- erschienen 2016 im Verlag KÖSEL
- ISBN: 9783466310708
- Einband: Taschenbuch
- Artikelnummer: 4544848
Weitere Webinare aus der Babywissen-Reihe:
Nicola Schmidt zum Thema Schlafen
Stephan H. Nolte zum Thema Impfen
Das Interview
Hypnobirthing und selbstbestimmte Geburt
Quelle: Webinar Babywissen; Kösel Verlag
Heinkel: Thema ist die interventionsfreie und selbstbestimmte Geburt. Interventionsfrei bedeutet, dass die Mutter von dem Moment, in dem sie merkt, dass es jetzt los geht, bis hin zu dem Moment, in dem sie das Kind in den Armen hält, ihren eigenen Rhythmus und den Rhythmus ihres Kindes berücksichtigen darf. Die Geburt wird dabei nicht von außen über Spritzen oder Ähnliches eingeleitet.
Gembus: Man geht ja davon aus, dass zahlreiches medizinisches Personal um einen herum steht, die Geburt ist eine beängstigende Situation für die Frau, in der sie glaubt, Hilfe zu benötigen.
Heinkel: Der Geburtsvorgang ist in uns Menschen natürlich angelegt, da wir Menschen ansonsten bis jetzt nicht überlebt hätten. Das Wissen, wie das Leben fortgeführt wird, hat der Mensch in sich. Wir leben jedoch in einer Kultur, in der das Wissen immer mehr verdrängt wird.
Der Bezug zum Körper, zum intuitiven und archaischen Prozess verlagert sich immer mehr nach außen. Man glaubt, dass außen die Information oder auch das größere Wissen vorhanden ist und gibt damit die Verantwortung ab. Dadurch wird man letzten Endes ängstlich und unsicher, da man das „Außen“ nicht kontrollieren kann. Das Hauptthema bei der Geburt ist bei den meisten Frauen Angst und diese beeinflusst auch den Prozess der Geburt, die sich dann in die eine oder andere Richtung entwickelt, je nachdem, wie viel Vertrauen oder Angst da ist.
Bei Hypnobirthing geht es darum, die Frau besser zu unterstützen, damit sie bezüglich der Geburt denkt „Ja klar kann ich das, mein Körper weiß, wie das geht“. Mit Hypnobirthing kann man sich Unterstützung holen, damit dieses Gefühl noch mehr wird.
Gembus: Dann kommen wir schon zum Thema Selbstbestimmung. Man sollte meinen, es wäre selbstverständlich, dass eine Frau die Geburt selbst bestimmen kann, und diese nicht von außen beeinflusst wird […]
Hat es eine Auswirkung, wo die Frau entbindet?
Kornetzky: Je weniger Menschen im Umfeld dabei sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man seinem eigenen Rhythmus folgen kann und sich der Prozess entwickeln kann, wie er sich entwickeln muss. Folglich sorgen mehr Menschen bei der Geburt dafür, dass auch mehr Einflüsse stattfinden. Wer sich für eine selbstbestimmte Geburt entscheiden möchte, sollte vorher festlegen, wer dabei sein sollte und wo die Geburt stattfinden soll.
Gembus: Ist die selbstbestimmte Geburt in einem Kreißsaal im Krankenhaus – eine Variante, die doch immer noch sehr viele Frauen wählen – überhaupt möglich?
Kornetzky: Ein klares „Ja“. Es ist durchaus möglich! Hierbei ist besonders wichtig, dass sich die Frau vorab Gedanken darüber macht, wie sie den Prozess wirklich erleben möchte. Wer das vorab nicht weiß, unterläuft der größeren Wahrscheinlichkeit, dass die Geburt fremdbestimmt abläuft.
Zu mir kommen viele Frauen, die ihre erste Geburt im Krankenhaus erlebt haben – unter dem Motto „Ach, die machen das schon“ – und wollen nun etwas anderes erleben. Sie haben sich beim ersten Mal nicht vorbereitet und wussten nicht, was sie (nicht) wollen. In dem Fall machen Ärzte, was sie für richtig halten. Wenn man sich jedoch für eine selbstbestimmte Geburt entscheidet, und vorab weiß, was man möchte und was man nicht möchte, kann man selbstbewusst in die Klinik gehen. Dann kann die selbstbestimmte Geburt funktionieren, garantieren kann man es jedoch nicht.
Gembus: Was ist Hypnobirthing?
Heinkel: Hypnobirthing ist zum einen eine Haltung, eine Philosophie, eine Verankerung im Wissen, dass wir Frauen das können und der eigene Körper das kann. Es ist ein Konzept, bei dem Frauen Werkzeuge wie Atmungstechniken, Entspannungstechniken, Visualisierungen, Selbsthypnosen, Achtsamkeitstraining etc. angeboten werden. So lässt sich die Kompetenz, die eigenen Ressourcen und das Wissen besser zu nutzen, gezielt stärken. Es geht darum, wieder in Kontakt mit sich, seinem Körper und auch mit seinem Kind zu treten. Das Kind hat seine eigene Dynamik und je mehr man mit seinem Kind über Intuition, Gefühl, Bilder usw. in Interaktion tritt, desto harmonischer kann der Geburtsprozess laufen. Hypnobirthing bietet die Möglichkeit, sich auf die Geburt vorzubereiten und diese noch selbstbestimmter stattfinden zu lassen. So muss man nicht unvorbereitet in die Klinik mit der Haltung „Mal schauen, was passiert„.
Gembus: „Hypno“ klingt immer ein bisschen, als würde man in Trance verfallen – als würde man ein Baby bekommen und wäre gar nicht richtig dabei.
Hypnobirthing heißt nicht, dass man mit Räucherstäbchen und wie auf einer Wolke ein Kind gebärt
Heinkel: Hypnobirthing heißt nicht, dass man mit Räucherstäbchen, wie auf einer Wolke ein Kind gebärt und draußen alle Applaus klatschen. […] Während der Geburt ist die Frau auf Grund der hormonellen Situation, der Entspannung sowie der Konzentration nach Innen schon in einer Art Trancezustand. Über Hypnobirthing verstärkt sich der Zustand der Selbsthypnose.
Grundsätzlich ist Hypnose immer eine Selbsthypnose. Eine außenstehende Kursleiterin kann viel machen, dass jemand in einen Trancezustand fällt. Wenn sich diese Person jedoch nicht darauf einlässt, hat die außenstehende Person keine Chance. Das bedeutet, man bringt sich selbst in Trance und der Kursleiter kann dabei unterstützen, indem er ein ausgewähltes Buch vorliest, mit Atmungstechniken für Entspannung sorgt oder die Person begleitet.
Kornetzky: Es geht nicht darum, dass sich die Frau wegbeamt, wie beispielsweise bei einer zahnärztlichen Hypnose, bei der sich OPs ohne Narkose durchführen lassen. Hier ist es tatsächlich eher so, dass man sich woanders hindenkt – zum Beispiel an den Karibikstrand. Doch für die Geburt und mithilfe von Hypnobirthing ist es wichtig bei sich und seinem Körper zu sein, in Kontakt mit seinem Kind zu stehen und einfach in dem Moment zu sein. Da wäre es nicht hilfreich, sich wegzubeamen – vielmehr sollte man sich nach innen beamen. Hierbei kommen auch die Selbsthypnose und Achtsamkeitsübungen zum Einsatz.
Gembus: Wir kommen zu den ersten Zuschauer-Fragen.
Zuschauerin Susanne fragt beispielsweise, was ihr Mann während der Geburt tun kann, um nicht nur Zuschauer am Rand zu sein.
Kornetzy: Generell viel – er sollte sich vorbereiten und nicht erst bei der Geburt anfangen, sich Gedanken zu machen. Hypnobirthing wendet sich an beide Partner bzw. auch an den gewünschten Geburtsbegleiter. Wichtig ist, dass die Geburt durch die gemeinsame Vorbereitung zu einem gemeinsamen Erlebnis werden kann. Es geht letzten Endes immer darum, die Frau zu unterstützen, damit sie sich entspannt. Hierbei kann sich jedes Pärchen – auch ohne Hypnobirthing – Gedanken machen, wie sich beide entspannen können oder welche Berührungen, Musik oder Worte gut tun. Man sollte wissen, bei der Geburt kommt es vor allem auf eines an: die Entspannung. Dies ist vielen ist noch nicht bewusst. Angst und Anspannung sollten vermieden und gegen Entspannung eingetauscht werden.
Heinkel: Vor allem sollte man sich überlegen, was den Mann entspannt. Die Frau ist während der Geburt sehr wach und empfindsam. Sie kennt ihren Mann und wird bemerken, wenn er sich anspannt. Frauen neigen dazu, erst zu schauen wer ihn versorgen kann, damit er im Anschluss sie versorgen kann. Das ist während der Geburt sehr kontraproduktiv. Je mehr der Mann für sich gesorgt hat und sich auch im Vorfeld Gedanken darüber gemacht hat, ob er bei der Geburt überhaupt dabei sein will, desto besser ist die Basis, weil er autonom entschieden hat.
Dann sollte das Paar gemeinsam ein Konzept entwickeln, wie es sich richtig auf die Geburt vorbereitet. Dies beinhaltet zum Beispiel auch Codeworte, mit denen ausgedrückt wird, dass der Mann den Raum verlassen soll, wenn die Frau doch lieber alleine sein möchte oder etwas anderes bevorzugt. Die Kommunikation des Paares kann durch die Vorbereitung eine neue Qualität erfahren. Wenn sich der Mann sicher ist, dass er seine Frau versteht und ihre Körpersignale richtig deuten kann, kann er unglaublich viel tun, weil er intuitiv sieht, was sie braucht. Männer sind ziel- und handlungsorientiert und wollen wissen, wie etwas gemacht wird und abläuft. Frauen sind in der Regel etwas anders aufgestellt. Wenn der Mann weiß, dass alles durch- und abgesprochen ist und man sich aufeinander verlassen kann und auch die Frau weiß, dass sich der Mann während der Geburt um sich selbst sorgen kann, können beide Partner Vertrauen in sich und den Prozess finden.
Gembus: Sibel fragt, ob sie für die Geburt unbedingt Atemtechniken üben muss, da sie die Geburt lieber auf sich zukommen lassen möchte, anstatt sich dauernd damit zu beschäftigen.
Heinkel: Hier kann man keine allgemeine Antwort geben. Bei dieser Frage ist zunächst der Ausgangspunkt wichtig:
- Wie steht man selbst mit seinem Körper in Kontakt?
- Wie entspannt oder angespannt ist man generell?
- Wie geht man sonst mit Stresssituationen um? Hat man gute Mechanismen, auf die man zurückgreifen kann?
Wenn man seinen Körper gut kennt, entspannt und bei sich ist, zudem seine Atmung zu lenken weiß, dann braucht man solche Atemtechniken nicht. Wer hingegen auf die Atemtechnik verzichten möchte, weil es als zu viel oder doof empfunden wird, sollte noch einmal seine Entscheidung überdenken. Die Atmung ist zentral – ohne Atmung wären wir schließlich nicht hier. Wir kommen mit dem Atem und wir gehen mit dem Atem und wer seinen Atem gut lenken kann, besitzt ein ganz großes Werkzeug. Die, die Yoga machen, wissen, wovon ich spreche. Über die Atmung lassen sich Körperbefindlichkeiten und Empfindungen steuern und daher ist es empfehlenswert zu schauen, wie man sich über die Atmung gut versorgen kann.
Eine klare Antwort ist demnach nicht möglich, man sollte genauer hingucken, wie der Status im Moment ist und man sollte ganz ehrlich zu sich selbst sein, ob es nur eine Vermeidung der Übungen ist oder ob man wirklich ganz entspannt ist. Wenn das Gefühl, dass man es genau richtig macht, in einem wohnt, dann ist es auch die richtige Entscheidung.
Wer seinen Atem gut lenken kann, besitzt ein ganz großes Werkzeug.
Kornetzy: Es gibt noch einen anderen Aspekt, der in der Frage versteckt ist: Wenn man all diese Atemtechniken nutzt, führt es dann auch zu einem bestimmten Ergebnis? Wenn man alles perfekt übt und eine bestimmte Anzahl an Stunden investiert, bekommt man am Ende eine tolle Geburt? Diesen linearen und kausalen Zusammenhang kann man leider nicht versprechen. Wer jedoch die Bedingungen verändert und bestimmte Dinge verinnerlicht, die Möglichkeit des körperlichen Erlebens verändert, erzielt auch ein anderes Ergebnis, als wenn man sich überhaupt nicht damit beschäftigt.
Hypnobirthing ist wie ein Blumenstrauß, bei dem sich die Frau oder auch das Paar die Blumen heraussuchen können, die passen. Man sollte alle Blumen mal ausprobieren und an ihnen schnuppern. Aber man muss nicht alles bis zur Perfektion üben, um eine tolle Geburt zu bekommen. Man sollte sich also vielmehr für Maßnahmen entscheiden, die zu einem passen und diese im Idealfall für die Geburt verinnerlichen. So stellt man sich quasi seinen eigenen Blumenstrauß zusammen. Das ist besser, als wenn man meint, einem Kurrikulum folgen zu müssen, um ein bestimmtes Ergebnis erzielen zu können- das funktioniert meistens bei einem Prozess, wie der Geburt, nicht.
Gembus: Zuschauerin Karen fragt, ob man etwas tun kann, damit die Geburt nicht zu lange dauert?
Heinkel: Hier ist die Frage: Was ist „zu lange“? Eine Geburt dauert eben seine Zeit und es ist nicht möglich, eine Geburt in ein Schema zu pressen. Leider versuchen es alle – auch in den Kliniken. Es hat zwar durchaus seine Logik, doch Geburten folgen keiner Logik oder einem Schema. Demnach gibt es kein „zu lange“ bei einer natürlichen Geburt. Das Wichtigste ist im Prinzip, Entspannung und Geduld sowie Zuversicht und Vertrauen zu haben, dass sich der Prozess natürlich entwickelt.
Wichtig ist auch der Aspekt, dass das Baby die Geburt steuert. Das Baby nimmt sich die Zeit, die es braucht, um durch diesen Kanal gelangen. Je entspannter die Mama ist, je tiefer sie atmet und je aufgeschlossener sie wird, desto schneller erfolgt die Öffnung und damit auch die Geburt.
Meines Wissens gibt es Studien, die belegen, dass sich die Geburt unter Hypnose und unter diesen Trancezuständen um zwei bis drei Stunden in der Eröffnungsphase verkürzt, weil die Entspannung viel intensiver ist. Jetzt kann sich die Frau hingeben, entspannen und akzeptieren, dass das, was jetzt passiert, genau das Richtige für den Moment ist. Damit verkürzt sich auch das Zeitempfinden. Denn es kommt auch darauf an, wie man Zeit empfindet. Wenn während der Geburt viel untersucht und ständig auf die Uhr geschaut wird – mit der Angabe „Wir haben jetzt zwei Stunden, es sind aber gerade mal eineinhalb Zentimeter“ – entsteht schnell der Eindruck: Es geht nicht voran oder dauert zu lange. Wichtig ist, dass man diese Aspekte außen vor lässt und einfach nur den Prozess annimmt. Wenn die Hebamme bei der Untersuchung z.B. eine Öffnung des Muttermundes von 4 Zentimetern feststellt, könnte das Baby nach eineinhalb Stunden schon da sein – und das völlig reibungslos. Es braucht alles seine Zeit und die Mama sollte einfach die Geduld mit sich und dem Prozess haben – und natürlich auch die Geduld von außen erhalten. Ebenfalls sollten der Mann und das medizinische Personal geduldig auf die Geburt reagieren.
Gembus: Damit ist die Geburt das perfekte Training für die Zeit nach der Geburt. Geduld und Entspannung sind dann essentiell. Entspannung ist tatsächlich DAS Schlüsselwort des Konzeptes.
Was macht man denn mit den schaurigen Geschichten, die man über Geburten hört? Man hört ja selten, dass die Geburt völlig einfach war, die Frau keine Schmerzen hatte und das Kind glücklich, nach wenigen Stunden, in den Armen halten konnte.
Heinkel: Sich abgrenzen. Wir müssen uns das nicht antun. Wir haben die Verantwortung, richtig auszuwählen. So wie wir auch unser Fernsehprogramm wählen oder die Medien, die wir konsumieren. Denn das Baby hört alles mit. Es bekommt alles über die emotionale Lage der Schwangeren mit. In Amerika gibt es bestimmte Buttons zum Anstecken – auf denen steht „Please only happy birth stories. Baby is listening.“ Eine Frau hat das Recht und sogar die Pflicht, an einem bestimmten Punkt zu sagen, dass sie das nicht hören möchte. Wenn das Baby auf der Welt ist, kann sie gerne mit anderen über solch eine Thematik sprechen. Das Abgrenzen ist damit ein besonders wichtiger Faktor.
Kornetzy: Dazu gehört aber auch, dass man sich im Internet nicht alle möglichen Horrorstories reinzieht. Hier sollte man eine gewisse Medienhygiene betreiben und seinen Fokus steuern. Es sollte klar sein, dass man bei der Recherche die Wahl hat: Beschäftigt man sich mit den Horrorstories oder lieber mit Themen, die wirklich interessant sind?
Gembus: Es gibt natürlich viele Frauen, die schlimme Erfahrungen gemacht haben und darüber reden müssen und wollen – aber auch ihr gesamtes Umfeld mit diesen Geschichten ausfüllen.
Heinkel: Ja, aber es ist die Frage: „Suche ich mir Hilfe, um damit klarzukommen oder ziehe ich andere mit rein?“ Ich arbeite in dem Bereich und verstehe gut, wie wichtig es ist, einen guten Zuhörer zu haben und einen guten Umgang damit zu finden. Wir leben eine Kultur, die dem Drama mehr Raum und Aufmerksamkeit gibt. Egal ob in der Literatur oder in Zeitschriften – Drama verkauft sich besser. […] Aber die Frau sollte berücksichtigen, wie sie sich fühlt, wenn sie so etwas hört bzw. erzählt. Dann sollte sie sich fragen, ob es ihr gut tut oder ob man das einer anderen Frau antun möchte.
Gembus: Wir haben dazu passend wieder eine Frage bekommen. „Ich hatte vor fünf Monaten eine schwierige Geburt, bei der ich meine Hebamme, trotz Hausgeburt, als extrem übergriffig und grenzüberschreitend erlebte. Wenn ich heute an die Geburt denke, geht es mir schlecht und ich habe Erinnerungslücken. An wen kann ich mich wenden?„
Heinkel: Ich würde ihr empfehlen, sich eine Therapeutin zu suchen, die in diesem Bereich Erfahrung hat, um das aufzuarbeiten und aufzulösen. Im zweiten Schritt könnte man noch einmal mit der Hebamme sprechen. Im Vordergrund steht jedoch, dass sich die Mutter nun gut versorgt. Sie ist bestimmt eine gute Mutter und das Baby mit Sicherheit bestens versorgt – aber nun ist es ganz wichtig, dass sie gut versorgt wird. Daher sollte sie sich Hilfe holen und das nicht alleine mit sich ausmachen.
Kornetzky: Es ist auch nicht normal, solch eine Erfahrung gemacht zu haben. Viele Frauen meinen, dass sie damit alleine zurechtkommen müssen, da so viele Frauen schon solche traumatische Erfahrungen gemacht haben und wollen dementsprechend nicht wehleidig sein, aber es ist wirklich ein Trauma, mit dem man sich helfen lassen kann. Man ist dann auch definitiv nicht schwach, wenn man einen Therapeuten aufsucht.
Gembus: Für alle Zuschauer, die gerade schwanger sind und sich denken „Oh Gott, wie kann eine Hebamme grenzüberschreitend und übergriffig sein“ – Wogegen kann man sich wehren oder wann sagt man Stopp?
Heinkel: Hier ist die Vorbereitung wieder wichtig. Hebammen und Ärzte sind Menschen und es „menschelt“ immer irgendwo. Das Problem liegt wahrscheinlich darin, dass man in dem Moment durch die Institution oder den Titel einschüchtern lässt – dabei begegnen sich eigentlich nur zwei Menschen. Hier ist es auch wichtig sich im Vorfeld zu überlegen:
- Wie stabil ist man?
- Wie vertritt man normalerweise seine Meinung?
- Wie begegnet man Übergriffen im Alltag?
Hier hat man bereits die Möglichkeit zu sagen „Stopp, so nicht.“ Wenn man merkt, dass man etwas als unangenehm empfindet, hat man das Recht, Stopp zu sagen.
Gembus: Wenn beispielsweise zwei Stunden vergangen sind und die Hebamme sagt, dass sie mal überprüfen möchte, wie der Muttermund aussieht, ist das dann schon ein Eingriff – wenn ich das nicht will?
Kornetzky: Grundsätzlich gilt da: Jegliche Untersuchung muss im Einverständnis mit der Patientin erfolgen. Somit sollte es nicht heißen „Ich muss mal den Muttermund untersuchen“, sondern es sollte heißen „Bist du damit einverstanden, wenn ich mal nachschaue“? Das muss der Tenor sein, mit dem jegliches medizinisches Personal mit einer Gebärenden umzugehen hat – selbst rechtlich gesehen. Alles andere ist knallhart gesagt Körperverletzung. Das sollte eine Frau wissen.
Heinkel: Das trifft auch den Tatbestand der Körperverletzung. Wir haben in den Kursen auch Rechtsanwälte, bei denen wir nachgefragt haben, ob es wirklich so ist und die haben das bejaht. Eine Frau hat das Recht zu sagen „Stopp“.
Kornetzky: Ich frage die Frauen in meinen Kursen in letzter Zeit häufiger: „Was würdest du tun, wenn du die Geburt ganz alleine machen würdest? Wenn kein Mann da wäre, keine Hebamme, kein Arzt.“ Das heißt letzten Endes nur, dass man herausfinden sollte, was man sich für die Geburt wirklich vorstellt.
Sprich: Wenn man die Geburt ganz alleine vollziehen würde, was könnte hilfreich sein? Was würde ich wollen und was nicht?
Als Beispiel: Eine werdende Mutter hatte eine Hebamme, die unbedingt wollte, dass sie tönt. Dabei hatte sie bei ihrer ersten Geburt schlechte Erfahrungen mit dem Tönen gemacht und wollte es dementsprechend nicht. Tönen ist das generelle „Töne von sich geben“ während der Geburt – insbesondere bei der Öffnung. Die Frau hat sich durchgesetzt und lieber einfach nur geatmet. Sie hat das Baby damit „rausgeatmet“. Es braucht eine bestimmte Klarheit der Gebärenden. Es war von der Hebamme generell kein Übergriff, sondern nur ein Angebot. Aber die Frau hat in dem Moment für sich entschieden, dass es sich nicht gut anfühlt und sie es nicht möchte.
Heinkel: Es geht auch nicht um die Bewegung „Alleingeburt“. Es könnte vielmehr sein, dass eine plötzliche Lebenssituation eintritt, wie zum Beispiel ein unerwarteter Schneefall oder eine nicht funktionierende Telefonleitung. Hier sollte man sich einmal überlegen, wie man selbst in solch einer Situation reagieren würde. „Was würde ich tun, wenn ich auf mich selbst gestellt bin?“
Kornetzky: Man sollte auch von dem Gedanken wegkommen, dass man viele Leute um sich herum braucht, um ein Kind auf die Welt zu bringen. Vielmehr wird man entbunden von seinem Kind. Diese Selbstbestimmung kann man gut imaginieren.
Gembus: Es hat letzten Endes auch viel mit Verantwortung zu tun. Man braucht die Entspannung, muss aber trotzdem die Verantwortung für sich selbst und sein Kind übernehmen.
Heinkel: Selbstbestimmung heißt: „Ich bestimme selbst und ich trage die Konsequenzen“.
Gembus: Viele Schwangere denken jetzt vielleicht, dass sie nicht genug medizinisches Wissen mitbringen und den Ablauf einer Geburt nicht kennen…
Heinkel: Säugetiere gibt es seit 225 Millionen Jahren und seitdem gibt es also auch diese Art des Gebärens. Sechs bis acht Millionen Jahre haben wir Menschen gebraucht, um aufrecht zu gehen. Wobei die Frage nach dem „Was ist wenn…“ erst seit 150 Jahren auftrat. Wenn man sich mal die Dimensionen vor Augen hält und berücksichtigt, dass wir alle hier sind, bedeutet es, dass die Geburten gut verlaufen sind und es bei allen Menschen geklappt hat.
Kornetzky: Grandly Decreed war der, der eigentlich die Grundlage des gesamten Hypnobirthing gelegt hat. Damals konnte er beobachten, dass Frauen, die sich keine Gedanken um die Geburt gemacht haben und weniger Angst hatten, meist eine leichtere Geburt hatten. Frauen, die sich viele Gedanken gemacht haben und auch große Erwartungen hatten, hatten kompliziertere Geburten. Daraufhin hat er die Faktoren Entspannung und Angstfreiheit thematisiert. Das heißt nicht, dass man überhaupt nichts mehr über die Geburt wissen sollte. Dennoch zeigt es, dass man nicht viel wissen muss, um eine schöne Geburt zu haben. Man muss in sich hinein horchen und in Kontakt mit sich und dem Kind sein – dann hat man das Wichtigste getan.
Heinkel: Der Körper weiß, wie Gebären geht, der Rest spielt sich im Kopf ab.
Die eigentliche Problemzone bei der Geburt liegt zwischen den Ohren – sowohl beim Paar als auch manchmal bei dem medizinischen Personal.
Kornetzky: Wobei natürlich nie ausgeschlossen ist, dass es Komplikationen geben kann.
Heinkel: Aber genau dafür sind wir gut gerüstet. Wir profitieren von einer sehr guten medizinischen Versorgung. Und jeder, der in dem Bereich arbeitet, gibt sein Bestes. Die Selbsteinschätzung ist aber sehr unterschiedlich. Wenn eine Frau sich selbst sagt „Das haut schon hin“, sich aber insgeheim unsicher fühlt, sollte sie sich doch nochmal mit ihren Ängsten auseinander setzen. Wer hingegen mit dem Gefühl der Überzeugung in die Klinik tritt, dass wirklich alles klappt, lädt auch das medizinische Personal dazu ein, daran zu glauben.
Kornetzky: Es gibt viele Paare, bei denen sich die Hebamme am Ende dafür bedankt, dass sie bei der Geburt dabei sein durfte. Eigentlich hätten sie sie gar nicht gebraucht. Das hatte nichts mit Zauber zu tun, das Paar hat sich einfach gut vorbereitet und war in Kontakt mit sich und dem Kind.
Gembus: „Elfe 82“ hat gefragt, was passiert, wenn man in ein Geburtshaus gehen möchte, es dem Kind dann aber plötzlich nicht gut geht – ist das nicht zu riskant?
Heinkel: In dem Moment, in dem diese Frage nach dem „Was ist wenn…“ auftaucht, lässt sich eine Angst vermuten. Mit solch einer Angst in ein Geburtshaus zu gehen, ist eher nicht empfehlenswert. Fraglich erscheint daher eher: „Was kann man tun, damit diese Ängste beruhigt werden?“
- Man kann vorab ins Geburtshaus gehen und schauen, ob die Hebammen die Sorgen beruhigen können, dass man sich anschließend darauf einlassen möchte.
- Wer trotzdem unsicher ist, sollte auf seine Intuition hören und vielleicht doch besser eine Klinik aufsuchen, in der es einen von Hebammen geleiteten Kreißsaal gibt bzw. eine Atmosphäre entsteht, in der man sich wohl fühlt.
Eine Entscheidung mit einem „Aber“ ist niemals eine gute Wahl. Frauen sollten ihrem Gefühl vertrauen und überlegen, was sie wirklich möchten und dem schließlich folgen.
Gembus: Wir haben eine weitere Frage erhalten: Wie fühlen sich Wehen an?
Heinkel: Das ist so unterschiedlich. Der Begriff „Wehe“ beinhaltet, dass man selbst in die Wehe geht, sodass man davon ausgehen kann, dass eine Wehe weh tut. Wenn man hingegen in die Welle geht, hat man viel mehr Spielraum und Erfahrungsmöglichkeiten. Frauen, die sich mit solchen Begriffen auseinandersetzen, sollten schauen, wie ihr Körper auf den bestimmten Begriff reagiert. Dieses Empfinden sollte man dann mit einer hohen Anzahl multiplizieren.
Eine Geburt ist eine Urerfahrung und je nachdem, wie die Begriffe im eigenen Kopf besetzt sind, gibt es Unterschiede in der Wahrnehmungsqualität. Manche Frauen beschreiben das Gefühl mit einem ganz intensiven Druck oder auch einem Ziehen. Manche sprechen von einer starken Kraft, die durch den Körper hindurchgeht. Letztendlich sind das alles Worte, die nur eine Vorstellung vermitteln können.
Wer zum Beispiel noch nie Schokolade gegessen hat, den Geschmack bisher nur von Beschreibungen kennt, kann die Geschmacksempfindung auch nur schwer nachvollziehen. Am Besten ist es, wenn man sich ein Stück Schokolade in den Mund steckt, um zu wissen, wovon man spricht. Genauso ist es auch mit Körpererfahrung.
Kornetzky: Ganz wichtig ist auch, dass jeder ein eigenes Empfinden von dem Geschmack von Schokolade hat. Deshalb können auch Wellen bzw. Wehen nicht beschrieben werden, da jede Frau sie völlig anders wahrnimmt. Die Frage ist ja eher, wie man mit dem Empfinden und seinem Körper umgeht. Manche Frauen empfinden ihre Regelblutung als sehr schmerzhaft und andere nehmen das Gefühl ganz anders war, obwohl sich im Körper die gleichen Vorgänge abspielen. Deswegen sprechen wir nicht von Wehen – „Wellen“ ist schöner.
Heinkel: Sprache hat immer eine Wirkung, in dem eigenen und dem Körper eines anderen. Deshalb ist es uns wichtig achtsam mit der Sprache umzugehen. Wir wählen bewusste Erklärungen und Bilder. Das hat nichts mit Glorifizieren oder Schönreden zu tun, vielmehr wollen wir ein anderes Empfinden möglich machen.
Kornetzky: Vor allem sollte man Optionen haben. Man sollte wissen, dass es noch andere Begriffe gibt, die man verwenden kann. Wenn man nicht weiß, das man den Vorgang auch anders benennen kann, hört und sieht man immer nur den Begriff „Wehe“ und versteift sich darauf. Wenn man hingegen „Welle“ hört, empfindet man was ganz anderes.
Heinkel: Es ist de facto kein Kitzeln, eine Wehe hat eine Urkraft und richtig Power. Frauen, die sagen, sie hatten eine gute Geburt, behaupten, dass sie alles können, seitdem ihr Körper diese Urgewalt erfahren hat. Dieses Vertrauen zu erreichen ist das Ziel des Ganzen.
Gembus: Es gibt ja auch einen Unterschied bei den „Wellen„. Es gibt solche, die man braucht, um den Muttermund zu öffnen und danach die „Geburtswellen„, die ja auch nochmal ganz unterschiedlich sind. Wenn es letztlich darum geht, das Kind herauszupressen, kann man sich dem auch nicht widersetzen.
Kornetzky: Nein, dem kann man sich nicht widersetzen. Die Wellen kommen und danach geht man in das nächste Entspannungstal. Man sollte sich nicht vor der nächsten Welle fürchten, sondern stets die Pause zur Entspannung nutzen.
Gembus: Es ist also wichtig, dass man diese Angst, dass man es nicht schafft, hinter sich lässt. Es scheint aber schon ein Geheimnis zu sein, wie man bei Schmerzen entspannen soll.
Kornetzky: Nein, nicht bei den Schmerzen, sondern zwischen den Schmerzen.
Heinkel: Man sollte von einer Entspannungsphase in die nächste Entspannungsphase gehen und sich durch die Wellen durchatmen. Das andere ist, dass Schmerzen nur durch den Kopf entstehen. Je nachdem, wie empfindlich man grundsätzlich ist und auch im Alltag reagiert, desto größer ist der Einfluss auf die Empfindung während der Geburt.
Wenn das Gefühl der Sicherheit vorhanden ist, dann ist man eher in der Lage, Endorphine frei zu setzen, die einen durch das Schmerzempfinden begleiten.
Wer sich hingegen in Anspannung und Angst befindet, setzt Adrenalin frei, welches das Schmerzempfinden sogar verstärkt.
Wichtig ist, wie schon erwähnt, dass die Frau in sich hineinhört. Ist sie eher empfindsam, sollte sie über die Atmung Endorphine aktivieren und kann ihren inneren Prozess besser steuern. Der Parasympathikus ist sehr wichtig für die Empfindung.
Als Beispiel: Frau Heinkel erzählt, dass sie bei einem Spaziergang mit ihrem Hund im Wald gestürzt ist. Sie hat sich sämtliche Bänder gerissen und ist mit dem Auto noch eine halbe Stunde nach Hause gefahren. Sie sagt, die Empfindung war zwar da, doch der Schmerz kam erst, als sie die Schuhe zu Hause ausgezogen hat. Diese innere Ausrichtung, die innere Trance hat sie dazu gebracht, dass es ging. Diese innere Überzeugung lässt einen das gewünschte Ziel erreichen. Hier spielt auch die Selbstheilung eine große Rolle.
Gembus: Katharina fragt, ob es nicht normal ist, dass man Angst vor der Geburt hat?
Heinkel: Hier ist die Frage „Was ist normal?“ Es scheint, dass Angst vor der Geburt in unserer Gesellschaft normal geworden ist. Per se gehört sie aber nicht zur Geburt. Der Geburtsprozess dient der Arterhaltung und die Biologie hat keine Mechanismen eingebaut, um die Fortpflanzung derart zu stoppen. Wenn Angst als wichtiges Element in diesen Prozess eingebaut worden wäre, hätten wir im Körper auch andere Mechanismen, um damit umzugehen. Angst ist generell kontraproduktiv in diesem Prozess, da sie die Geburt behindert und das Kind durch Stresshormone stört.
Kornetzky: Wenn die Angst angelegt wäre, hätten auch Tiere Angst vor der Geburt und das ist nicht erkennbar.
Heinkel: Es ist ein Problem des Kopfes. Warum ist Angst da? Weil es Geschichten gibt. Gäbe es diese Geschichten nicht, wäre die Geburt lediglich ein Prozess. Wir haben ganz viele indigene Kulturen, bei denen die Geburt als Kraftakt gefeiert wird. Die Frauen werden unterstützt und gepflegt. In solch ein sicheres Umfeld gehört Angst nicht rein. Unsere Kultur besitzt das Problem, dass die Angst manipuliert […]
Kornetzky: Dabei war die Geburt wirklich mal ein Festakt.
Gembus: Eigentlich ist es doch schade, die Geburt ist doch etwas Schönes, nachdem man so lange auf das Baby gewartet hat und jetzt sieht es mehr danach aus, dass man über den Berg muss, bis man zu dem schönen Teil gelangt.
Kornetzky: Man sollte es auch so sehen, dass die Geburt die Vollendung der Zeugung ist.
Heinkel: Da würde ich ans Herz legen, sich mehr damit beschäftigen, wie es gut ist. Was hilft mir, mich zu stärken, die Angst zu binden.
Gembus: Es ist hier ja auch ein wichtiger Hinweis, sich zu distanzieren. Dabei kann Angst ja durchaus auch etwas Gutes sein und lässt einen vorsichtig werden. Daher ist die Frage, ob die Angst bei der Geburt nicht vielleicht auch etwas Gutes ist, da sie einen vorsichtig werden lässt?
Heinkel: Angst im Sinne von Achtsamkeit ist gut, psychologische Angst vor dem, was man nicht kontrollieren kann, ist jedoch eher kontraproduktiv.
Eine Geburt ist nicht so kontrollierbar, wie wir es heutzutage gewöhnt sind, die Dinge zu kontrollieren.
Auch die außenstehenden Menschen lassen sich nicht kontrollieren. Je mehr medizinische Hilfsmittel wir haben, desto größer wird die Angst vor der Geburt. Leider steigt diese Tendenz parallel.
Gembus: Anna schreibt, dass ihre erste Geburt ganz furchtbar war, sie 36 Stunden gedauert hat und so weiter, und sie hat schreckliche Angst, dass die nächste Geburt wieder so wird. Wie geht man mit so etwas um?
Heinkel: Das ist ähnlich wie bei der ersten Frage. Man sollte sich und seine Ängste ernst nehmen und sich gut versorgen. Am Besten spricht man mit jemandem, der diese Angst auflösen kann. Das macht man für sich, für sein Baby und sogar auch für das zweite Kind.
Kornetzky: Es gibt diese Möglichkeit auch nach einer traumatischen Geburt. Wer nach einer schlimmen Geburt eine neue Erfahrung machen möchte, kann sich im Kurs helfen lassen. Es gab eine Frau, die genau so etwas erlebt hat und eine tolle zweite Geburt hatte – sie hat sich helfen lassen und sich gut vorbereitet. Am Ende hat sich die Hebamme bedankt, dass sie bei solch einer schönen Geburt dabei sein durfte.
Gembus: Ich denke, man kann sich nach der ersten Geburt wieder frei machen im Kopf und bei der zweiten Geburt durchaus eine schöne Erfahrung sammeln. Man muss das Trauma nur auflösen. Wenn man sich aus Angst vor der Geburt für einen Kaiserschnitt entscheidet, dann bleibt das Trauma von der ersten Geburt vermutlich bestehen – und wird vielleicht sogar verstärkt.
Man kann wirklich jedes Trauma gut auflösen. Das bedeutet nicht, dass die Erfahrung weg ist.
Heinkel: Ich habe in einer Traumaklinik gearbeitet und kann wirklich sagen, dass ich mit dem Thema bewandert bin. Man kann wirklich jedes Trauma gut auflösen. Das bedeutet nicht, dass die Erfahrung weg ist. Aber das Trauma wird zu einer Erinnerung, zu einem Teil der Geschichte, das einen emotional und mental nicht mehr so belastet und steuert. Es ist eher wie eine Narbe zu betrachten, die gut verheilt ist. Dann kann man mit den Bewusstsein vorangehen, dass man das Trauma auflösen konnte. Wer sich jedoch nur auf die Narbe konzentriert und das Schlimme fokussiert, kann das Trauma nicht heilen. Es gibt viele Frauen, die nach einer zweiten oder dritten Geburt sagen, dass es etwas ganz anderes und Schönes war. Doch man muss den Weg selbst gehen.
Emilie
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